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Essen wie zuhause

#42 Bangladesch

Posted by on 10. April 2013

Bei Bastian Sick lernte ich einst, dass das Auswärtige Amt empfiehlt im Zweifel die Endung -er zu benutzen, um Zugehörigkeiten zu bestimmten Nationen zu verwenden. Damit erspart man sich Konflikte, dass sich z.B. türkisch-stämmige Zyperer (sic! bzw. Sick!) gekränkt fühlen, wenn man sie als Zyprioten bezeichnet. Von der Bezeichnung für die Einwohner ist es grammatikalisch meist nur noch ein kurzer Schritt zur Bildung des Adjektivs. Doch wie ist das bei Bangladesch? Wohnen dort die Bangladescher? Klingt komisch, also verließ ich mich auf mein Schulwissen und ging davon aus, dass wir bengalisch essen würden. Doch dann belehrte mich Wikipedia, dass bengalisch zwar “etwas die Nation Bangladesch bzw. deren Staatsbürger betreffend” meint, es “im offiziellen Gebrauch jedoch bangladeschisch” heißt. Also dann wohl doch Bangladescher. Fürs Essen sollte es ja egal sein.

Der gewählte Bangladescher – oder eben Bengale (Bengaler geht dann vermutlich nicht…) – war verwirrender Weise deutlich westlich von “unserem” Inder – wobei es ja (wieder was gelernt) tatsächlich Gebiete Indiens gibt, die östlich von Bangladesch liegen. Wir jedenfalls fuhren nach Charlottenburg zu Dayal Bhandar, was innerhalb unserer Reisen durch Berlin vermutlich einen bisherigen Extrempunkt im Nordwesten darstellen dürfte. Angekommen auf der Insel zwischen Havel, Spree und dem Charlottenburger Verbindungskanal fanden wir ein leeres Eck-Restaurant mit kunterbuntem Türschild. In dem recht generisch eingerichteten Raum hatten wir folglich die freie Platzwahl und entschieden uns nach kurzer Rückversicherung bei der einzig anwesenden Person, ob wir was zu essen bekommen könnten, für einen Tisch am Fenster.

Auch die Karte wirkte auf den ersten Blick sehr bekannt und war – wie wir schon auf qype gelesen hatten – mit mexikanischen Gerichten durchsetzt. Zunächst suchten wir jedoch nach den Getränken und wurden durch die Absenz eines Bierangebots enttäuscht. Das Bedauern war jedoch rasch vergessen als wir uns vom Wirt über die Spezialgetränke aufklären ließen. Burhani und Jeera Pani klangen am spannendsten. Ersteres wurde uns als scharfer Verwandter des Ayrans vorgestellt, letzteres als mit diversen Gewürzen wie Koriander durchsetztes Wasser. Die Zubereitung – unterbrochen durch die Frage nach dem gewünschten Schärfegrad (für die Getränke!) – dauerte dann durchaus auch eine Zeit; die Mixer-Geräusche, die in den Speiseraum drangen, offenbarten uns jedoch die frische Herstellung. Das gab uns immerhin genug Zeit zur Wahl der Vor- und Hauptspeise. In der Zwischenzeit trafen auch weitere Personen einen, die jedoch schnurstracks in einem der hinteren Räume verschwanden und unserer Vermutung nach wohl einen gewissen Einfluss auf unser Essen hatten…

Die Getränke erwiesen sich dann tatsächlich als sehr ungewöhnlich und der Burhani als das definitiv schärfste Getränke, was ich bisher kostete. Die von mir georderte Haleem-Suppe stellte das Getränk schärfe-technisch jedoch bei Weiten in den Schatten. Deutlich milder ging es da bei Bas’ Dahl zur Sache. Ebenfalls weniger scharf kamen die als mittelscharf georderten Hauptspeisen daher: das Murgie Polau, also Hühnchen mit Reis, sowie das bengalische Nationalgericht Bangla Labra, ein vegetarisches Potpouri. Immer noch kräftig genug gewürzt stellten sich die Speisen zwar vom Erscheinungsbild und der Beschreibung ähnilch der indischen Küche heraus, waren geschmacklich aber doch deutlich von dem entfernt, was man üblicherweise in indischen Restaurants in Deutschland auf den Tisch bekommt. Ohne Zurhilfenahme geschmacksverstärkender Elemente wie Joghurt oder Sahne, waren beide Gerichte ein echter Gaumenschmaus.

Im Anschluss ans Essen gab es dann noch eine längere, interessante Unterhaltung mit unserem sympathischen Gastgeber, die uns auch den eher mäßig leckeren Nachtisch verschmerzen ließ. Neben einigen Anekdoten über seine Tätigkeit als Betreiber dieses bengalischen Kulturzentrums erfuhren wir von der niedrigen Lebenserwartung der Bengalen und von der Schwierigkeit nicht dem deutschen Gaumen angepasstes Essen zu servieren. Das ist wohl auch ein Grund, warum wir diese sehr leckeren, authentischen Speisen zu einem unschlagbaren Preis bekamen – hier wird Essen eher nebenbei verkauft, das auf Spendenbasis betriebene Kulturzentrum steht im Vordergrund.

Dayal Bhandar
Goslarer Platz 5
Preis für 2 Personen: 18,90 Euro

Originalität
Service
Auswahl
Qualität
Restaurant
Preis/Leistung

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